Kernkraftwerke in der EU und außerhalb – abschalten oder Gefahren ignorieren

Allein in Deutschland stehen vier Atomkraftwerke in erdbebengefährdeten Gebieten (Neckarwestheim, Philippsburg, Biblis und Gundremmingen, siehe Spiegel-Grafik ‚Erdbebenzonen‘), das französische AKW Fessenheim in der tektonischen Schwächezone Oberrheingraben, in den USA befinden sich mehrere Atomkraftwerke entlang des hochaktiven San-Andreas-Grabens – nicht erst jetzt ein Grund, sich über Alternativen zur Atomenergie Gedanken zu machen und aktiv zu werden.

Hier folgen links zu interessanten Beiträgen rund ums Thema

Grundrechte durch Nutzung von Atomenergie in Deutschland verletzt? Ein Beitrag des Juristen, Philosophen und Soziologen Prof. Dr. Felix Ekardt (Universität Rostock).

Moratorium oder nicht – aus rechtlicher Sicht beleuchtet von Prof. Dr. Joachim Wieland (Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer)

Stresstests für AKWs in der EU

Carolin Olivier, Reporterin des TV-Senders Arte, berichtet über den Vorschlag der EU Energie-Kommission aus Brüssel, dass alle Atomkraftwerke in den EU-Ländern ‚Stresstests ‚ unterzogen werden sollen, um die Gefahr durch Risiken wie Erdbeben, Hochwasser, Tsunamis oder Terrorangriffe neu zu bewerten.

Die Kosten für die Folgen einer atomaren Katastrophe müssten in Deutschland nach dem Verursacherprinzip von den AKW-Betreibern getragen werden. Eigentlich. Bis auf AKW-Betreiber. Hier haftet die Allgemeinheit für größere Schäden – also Du und ich nach dem Motto ’some animals are equal, but some are more equal‘.

Denn die Risiken gelten in der Versicherungsbranche als unkalkulierbar und damit nicht versicherbar, wie etwa die Schweizer Handelszeitung berichtet:  „Die Folgen von Atomunfällen gelten in der Branche als nicht versicherbar. Die Schäden sind kaum zu kalkulieren, die Prämien für eine solche Versicherung würden unermessliche Höhen erreichen. In Deutschland versichern private Anbieter einschliesslich der DKVG Sachschäden an Kernkraftwerken bis zu 1,1 Milliarden Euro, schreibt die „FTD“. Kommt es zu einem Zwischenfall, bei dem Dritte geschädigt werden, greift die Haftpflichtversicherung – allerdings zahlt sie lediglich bis zu 256 Millionen Euro. Für den restlichen Betrag müssen die Kraftwerksbetreiber geradestehen, die sich bei der Haftung gegenseitig unter die Arme greifen.

Das Atomgesetz schreibt eine Haftungshöchstsumme von ca. 2,5 Mrd Euro vor – ein Witz, wenn man sich die geschätzten Kosten für Japan anschaut. Für Schadenssummen, die darüber hinausgehen, haftet nach § 34 Atomgesetz der Bund. Mit anderen Worten: Die steuerzahlenden Einwohner Deutschlands. Falls Sie hier Steuern zahlen, also auch Sie.

Hier ein Ausschnitt aus dem Paragraphen:

§ 34 Freistellungsverpflichtung
(1) Haben sich infolge von Wirkungen eines nuklearen Ereignisses gesetzliche Schadensersatzverpflichtungen des Inhabers einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes gelegenen Kernanlage nach den Bestimmungen des Pariser Übereinkommens in Verbindung mit § 25 Abs. 1 bis 4 sowie des Pariser Übereinkommens und des Gemeinsamen Protokolls in Verbindung mit § 25 Abs. 1 bis 4 oder auf Grund des auf den Schadensfall anwendbaren Rechts eines fremden Staates oder in den Fällen des § 26 Abs. 1a ergeben, so hat der Bund den Inhaber der Kernanlage oder den Besitzer radioaktiver Stoffe von Schadensersatzverpflichtungen freizustellen, soweit diese von der Deckungsvorsorge nicht gedeckt sind oder aus ihr nicht erfüllt werden können. Der Höchstbetrag der Freistellungsverpflichtung beträgt 2,5 Milliarden Euro. Die Freistellungsverpflichtung beschränkt sich auf diesen Höchstbetrag abzüglich des Betrages, in dessen Höhe die entstandenen Schadensersatzverpflichtungen von der Deckungsvorsorge gedeckt sind und aus ihr erfüllt werden können.

Wer also davon redet, daß Atomstrom ‚billig‘ sei, der vergißt, diese und andere Kosten, wie z. B. die gesundheitlichen Folgeschäden atomarer Belastung, anteilig mit einzurechnen.

Das scheint aber weltweit kaum eine Regierung als Problem wahrzunehmen.

Einen Überblick über die Haltung zur Verwendung von Atomkraft in den europäischen Ländern sowie in China, Russland, Indien und den USA liefert ein Artikel von Arte.

Der Blogbeitrag „Wake up, India!“ der Journalistin und Risiko-Analystin Priyanka Bhardwaj,  veröffentlicht auf der Website der Times of India, findet deutliche Worte über die Gefahren in Indien: „it is no secret that Indian agencies, governments, and systems have faulted severely at every level (…) In this state of affairs, of rampant inefficiency, corruption and neglect, poor redressal systems, complex legal procedures, shortage of judges and absence or inefficient regulators worsen the scenario. Therefore it is imperative that questions around the safety of nuclear reactors need to be raised and answered to every one’s satisfaction. (…) India most definitely needs to wake up and seriously reconsider its capabilities and preparedness before going nuclear.“

Im Ural gab es offenbar mehrere schwere Atomkatastrophen

2007 berichtete die Wochenzeitung Die Zeit über ein Atomunglück im Ural auf dem Gebiet der Plutoniumfabrik Majak, das 1957 stattfand und 50 Jahre lang geheim gehalten worden war, und das viel schwerer war als Tschernobyl.

Der Spiegel berichtet 1991, dass im Distrikt Perm im Ural 1976 Atombomben eingesetzt wurden, um eine Trasse zu sprengen

Die Welt berichtete 1996 über einen Unfall von 1957 in der Atomanlage Cheliabinsk-40 in der Nähe des Ortes Kyshtym, von dem die Sowjetunion erst 1989 Meldung an die IAEO machte

Hier ein Beitrag von ARTE über den GAU in Majak und die Folgen

AKW von TEPCO in der Türkei?

Die Betreiberfirma der japanischen Fukushima-Reaktoren TEPCO soll jetzt in der Türkei eines von zwei neuen Atomkraftwerken bauen – das zweite soll ein russischer Hersteller bauen. Doch es regt sich Widerstand. Die Ernte der selbst gesäten Kombination Erdbebenzone-mit-Atomkraftwerk hat führt ihnen Japan gerade vor Augen. Die radioaktive Wolke aus Tschernobyl ist ebenfalls noch nicht vergessen.

Die Erdbebengefahr ist vielen Türken nur allzu bewusst – vor genau einem Jahr, im März 2010, hat ein Erdbeben der Stärke 6,0 den Osten des Landes erschüttert. Und entlang der Nordanatolischen Verwerfungszone gibt es immer wieder schwere Erdbeben – beim letzten großen Beben in İzmit am 17. August 1999 starben rund 18.000 Menschen, 44.000 wurden verletzt.

AKW Fessenheim – mitten in der Erdbebenzone

In der Schweiz macht man sich Sorgen wegen des französischen Atomkraftwerks Fessenheim in der Oberrheinischen Tiefebene, das, nur 35 Kilometer nördlich von Basel gelegen, schon seit 1977 am Netz ist. Also veraltet in punkto Erdbebensicherheit, Hochwassersicherheit und zudem durch zahlreiche Störfälle bekannt. Und in Basel gab es 1356 ein Erdbeben, das, so schätzt man aus den überlieferten Zerstörungen, mindestens die Stärke 6,2 bis6,7 hatte. Hier ein Beitrag der Schweizer Zeitung ‚Der Bund‘ zu Fessenheim.

Energiewandel ist möglich – aktuelle Studie

Gleich zwei Blogeinträge haben mich auf eine aktuelle Studie aufmerksam gemacht, die die Nutzung erneuerbarer Energien statt Atomkraft bis 2030 als realistisches Szenario darlegt: Auf Franz Alts Sonnenseite findet man Infos und am Ende des Artikels links zu der Studie als PDF; Yes2Renewables in Australien kommentiert die Studie von Mark Delucchi und Mark Jacobson ebenfalls.

Ein Greenpeace-Magazinbeitrag (Ausgabe 5/02) versammelt die wichtigsten Atom-Risiken.

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