Auf der Suche nach kulinarischen Kuriositäten bin ich auf weitere interessante historische Anleitungen zur Herstellung von Kartoffelkäse aus Kartoffeln und Dickmilch gestoßen, die ich meinen lieben Leserinnen und Lesern natürlich nicht vorenthalten möchte. Voilà.
Das Allgemeine chemisch-technisch-ökonomische Recept-Lexikon (1863) beschreibt ausführlich, wie man Kartoffelkäse selber macht:
„In Thüringen und einem Theile Sachsens wird viel Kartoffel-Käse fabricirt. Man verfährt dabei folgendermafsen: Gute weiße Kartoffeln werden gekocht, geschält und in einem Mörser möglichst fein gerieben.
Auf 5 Gewichtstheile Kartoffeln, die zu einer ganz homogenen Masse gerieben werden müssen, nimmt man 1 Theil saurer Milch und etwas Salz, mischt das Ganze gut und überläßt es in einem gut verschlossenen Gefäße einer mehrtägigen, sich nach der Jahreszeit richtenden Ruhe.
Nach 3 bis 4 Tagen wird die Masse abermals gut durchgearbeitet, und die Käse geformt, welche zum Abtropfen in Körbe gelegt, hierauf im Schatten getrocknet und zuletzt schichtenweise in Tonnen eingelegt werden.
Nach 14 Tagen sind sie schon genießbar, werden aber je älter desto schmackhafter. In gut verschlossenen Tonnen und an trocknen Orten aufbewahrt, halten sich die Kartoffel-Käse mehrere Jahre lang. Noch besser sind dieselben, wenn man statt der Kuhmilch Schafmilch verwendet.
Kartoffel-Käse, Verfertigung desselben.
Sowohl von der weißen als rothen Sorte sucht man die größten und besten Kartoffeln aus, und kocht sie in einem Kessel weich ab, doch so, daß sie nicht platzen, weil dadurch ihre Kraft vermindert wird.
Wenn sie abgekühlt find, schält man sie rein ab und thut sie in eine Mulde; alsdann zerreibt man sie entweder auf einem Reibeisen oder mit einer starken hölzernen Keule, bis alles recht klein und weich geworden ist. —
Von diesem Kartoffelbrei nun können mit einem Zusatze dicker, von den Molken geschiedener Kuh- oder Schafmilch, wie zu den gewöhnlichen Käsen nöthig ist, in Hinsicht der Güte dreierlei verschiedene Arten von Käse gemacht werden.
Doch darf man die Milch nicht auf Kohlen zu heiß oder dick werden lassen, weil die Käse sonst spröde werden und aufspringen. Man thut hernach in eine andere Mulde entweder 5 Pfund von den geriebenen Kartoffeln und nur l Pfund dicke Milch, wozu man noch so viel Salz (auch, wenn es beliebt, Kümmel, Anis oder Hollunderblüthen), als zu gewöhnlichen Käsen erfordert wird, thut, und mengt alles wohl durch einander.
Oder man nimmt 4 Theile Kartoffeln und 2 Theile dicke Milch; oder 3 Theile von jeder Art, und wenn es beliebig ist, nur 2 Pfund Kartoffeln und 4 Pfund dicke Kuh- oder Schafmilch, welches alles sodann gehörig gesalzen und wohl durchknetet wird.
Die erste Art ist vornehmlich für Arme; die zweite Art läßt sich von Jedermann genießen; die dritte aber ist auch für Leckermäuler.
Alle diese drei Sorten werden, wenn sie tüchtig durchgeknetet sind, zugedeckt, und bleiben im Winter 3—4, im Sommer aber nur 2—3 Tage liegen. Nach dem Verlaufe dieser Zeit knetet man alles noch einmal stark untereinander, formt die Käse, füllt damit die Käsekörbe oder Formen völlig an, und läßt durch die darin befindlichen Oeffnungen die überflüssigen Feuchtigkeiten ablaufen.
Sie bleiben alsdann, nach der Beschaffenheit der warmen oder kalten Witterung einige Tage in den Körben liegen. Hernach bringt man sie auf ein Brett und läßt sie bei gelinder Wärme vollends abtrocknen, aber nicht an der Sonne oder auf dem heißen Ofen, weil sie sonst leicht aufspringen.
Sollte aber dieses dadurch dennoch nicht verhindert werden, so darf man nur die aufgesprungenen Käse mit etwas Bier besprengen oder mit etwas dicker Milch, worunter ein wenig Rahm (Sahne) gemengt worden ist, bestreichen und wieder abtrocknen lassen. —
Nunmehr legt man sie in Töpfchen oder Fäßchen folgendergestalt ein: Auf den Boden streut man etwas grünes Vogelkraut (Miere, Hühnerdarm), welches im Sommer häufig in den Gärten wächst, und wovon man im Winter zum Gebrauche einen guten Theil trocknen kann.
Alsdann werden die Käse eingepackt und darüber dasselbe Kraut gelegt, und so eine Schicht nach der andern, bis das Gefäß voll ist. So läßt man sie 2—3 Wochen und noch länger stehen; denn je älter sie werden, desto besser schmecken sie.
Um diese dreierlei Käsearten noch besser und fetter zu machen, kann man auf jeden Käse noch 1 oder 2 Löffel Rahm mit zur Masse thun.
Will man große runde Käse nach Schweizer- oder holländischer Art verfertigen, so nimmt man auf jedes Pfund des Kartoffelbreies 3/4 Pfund dicke Kuh- oder Schafmilch und thut so viel Salz, als erforderlich ist, daran, setzt aber auch noch einen guten Theil frischen Rahmes dazu. Weil solche Käse aber noch leichter aufspringen können, so muß man sie desto mehr von außen mit Bier oder Sahne bestreichen.
Will man sie auswendig gelb oder rötlich haben, so darf man nur unter den Rahm ein wenig Safran oder ein anderes unschädliches Roth, als Kirschsaft, Heidelbeersaft etc. mischen.
Will man den ordentlichen Kartoffelkäse recht locker haben, so bereitet man die Masse aus einem Theile Kartoffelbrei und drei Theilen dicker Kuh- oder Schafmilch nach oben erwähnter Art, und läßt sie 3—4 Tage in der Mulde stehen.
Alsdann wird von denselben eine Lage, etwa daumendick, in den Käsekorb gemacht, etwas geriebene Fliederblüthe (damit sind Holunderblüten gemeint), oder Kümmel mit etwas Muscatenblumen vermischt, darüber gestreut und sodann frische Butter, etwa eine welsche Nuß (welsche Nuß = Walnuß) groß, mit einem Löffel darüber gedrückt. Hierauf folgt eine neue Lage der Käsemasse auf die beiden andern Ingredienzen.
Auf diese Art fährt man fort, bis der Korb voll ist. Zuletzt verfährt man eben so, wie vorher bei den anderen Arten gezeigt worden ist.
Alle Sorten des Kartoffeltäses haben vor dem gemeinen Käse dadurch einen Vorzug, daß sich theils darin keine Maden, wie im fetten Kuh- und Schafkäse, erzeugen, sondern daß sie Jahr und Tag gut bleiben, theils, daß sie je älter sie werden, immer mürber und besser werden, da hingegen die gewöhnlichen Käse hart und zähe, auch wohl schmierig und scharf zu werden pflegen.
Uebrigens dürfen sie nicht in den Keller zur Verwahrung gebracht, sondern müssen an einem luftigen und trocknen Orte aufbehalten werden.“
Wie ich nachträglich festgestellt habe, wurde dieser Text fast wörtlich übernommen aus einem noch älteren Werk, nämlich Johann Karl Gottfried Jacobsons technologisches Wörterbuch ober alphabetische Erklärung aller nützlichen mechanischen Künste, Manufakturen, Fabriken und Handwerker, wie auch aller dabey vorkommenden Arbeiten/ Instrumente, Werkzeuge und Kunstwörter, nach ihrer Beschaffenheit und wahrem Gebrauche aus dem Jahr 1792.
Aber schon eine gewisse ‚Elisabeth Käsefreundinn‘ schrieb in den
Braunschweigischen Anzeigen/Gelehrten Beyträgen des Jahres 1768 einen Artikel über die Kunst „Holländischen Käse zu machen“. Darin erwähnt sie auch ein Rezept für Tartuffelkäse, den sie als „besonders sparsame und vortheilhafte, auch ganz wohlschmeckende Art Landkäse“ charakterisiert.
„Man bereitet die saure Milch so, wie man in Westphalen und dem Hessenlande, den sogenannten scharfen rothen Käse macht. Die saure Milch wird am Feuer stark gehärtet, in einem Tuche rein ausgepreßt, nachher mit der Hand klein gerieben, und in ein zuzudeckendes Gefäß geschlagen, in welchem der Käse einige Tage steht, bis er sich brennt.
Man kocht alsdann Tartüffeln mit der Schaale gahr, zieht die Schaale ab, und reibt sie, nachdem sie kalt geworden sind, auf einer Reibe ganz klein.
Von diesen geriebenen Tartuffelkrumen nimmt man 2 Theile, und einen Theil
von der vorhin präparirten Käsemasse, oder noch besser, die Halbschied Tartuffeln, und die Hälfte Käse, knätet beydes scharf durch einander in eine Masse, und wälzet daraus Käse, die an der Luft getrocknet werden.
Ist die Masse zu trocken, und will nicht zusammen kleben: so feuchtet man sie mit ein wenig Wasser oder Bier an.
Diese Käse bekommen einen guten Geschmack, indem die Schärfe der gehärteten und gegohrnen Milch durch die Weichlichkeit des Tartuffelmehls gemildert wird, und der gemeine Mann isset sie gern, und lieber als den gewöhnlichen Turholt (das ist vermutlich ein Käse aus der Stadt Torhout in Flandern, in der Nähe von Brügge, wo es schon im 7. Jahrhundert ein Kloster gab).
Ich darf nicht erinnern, daß durch diese Zubereitung bey volkreichen Tischen des Landmanns viel ersparet wird, und ich hoffe, daß diejenigen von meinen landwirthschaftlichen Mitschwestern, die ich vorhin durch meine holländische Käsekrämerey erzürnet hatte, mich nun nicht weiter eine Milchverschwenderin heissen werden.“
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