Adventskalender – 8. Türchen: Weihnacht von Bertha Behrens (1848–1912)

Quietschend öffnet sich das 8. Adventskalendertürchen für ein weiteres Gedicht mit dem Titel Weihnacht, diesmal von Bertha Behrens alias Wilhelmine Heimburg (1848–1912).

Kein Windhauch draußen, regungslos die Luft,
O wunderbarer herber Winterduft!
Es schneit, es schneit! Ein stumm’ Gewimmel
Schwebt Flock’ und Flöckchen von dem grauen Himmel
Und legt sich sacht auf Weg und Steg und Halde,
Verschneit die Tannen draußen in dem Walde,
Ruht leuchtend weiß auf jedem Turm und Dach
Und scheint so helle in mein still Gemach,
Daß ich die Feder gerne ruhen lasse
Und meine Blicke sende auf die Gasse.

So einsam dort; ’s ist Alles in den Stuben,
Nicht mal den Schlitten ziehn des Nachbars Buben;
Warum dies nur, da es sie sonst so freut? –
Ei, weißt du nicht? Es ist ja Weihnacht heut!

Und horch! Da schweben tiefe Glockenklänge
Wohl übers Dörfchen in das Land hinein,
Und in der Brust wird es mir plötzlich enge
Und in die Augen tritt ein feuchter Schein.
O heilige Nacht, du süße fromme Nacht,
Welch selig Glück hast du der Welt gebracht;
In jedes Haus weht dein geheiligt Schauern!
Und wär’ ein Herze noch so voller Trauern,
Es muß ihm doch die holde Kunde werden:
Verzage nicht, der Friede kam zur Erden!

Dort drüben hinterm Fenster flammt’s empor,
So strahlend hell, so festlich eigen;
Von frischen Kinderstimmen tönt ein Chor
Herüber in mein andachtsvolles Schweigen:
Das alte Lied – die frohe Mär –
„Vom Himmel hoch da komm’ Ich her!“

Wohin du siehst, der helle klare Schein,
Und so wie hier in unserm Dörfchen klein
Flammt jetzt im großen weiten Erdenraum
In jedem Haus der grüne Tannenbaum;
Und jedes Herz wird heute lind und weich
Und jeder Arme dünkt sich wonnereich,
Und jede Hand, sie schenkt und reicht und giebt.

Was steht dort draußen an der Thür betrübt
Und schaut so bang zum hellen Fensterlein?
Es ist ein Kind! O komm, komm doch herein!
Hast keine Mutter mehr? Hast keinen Baum?
Daß heil’ger Abend ist, Du weißt es kaum?
Tritt ein, denn heute soll zu Himmelshöhen
Doch kein bekümmert Aug’ vergeblich flehen,
Und Kinder dürfen heute gar nicht weinen;
Es ist ja Euer Fest, das Fest der Kleinen.

Da, nimm nur hin, viel ist es freilich nicht,
Und freue Dich daran, Du blonder Wicht.
O Kinderhand, wie bald bist du gefüllt!
O Kinderthräne, wie so bald gestillt!
Was jetzt aus blauen Aeuglein blinkt,
Ist süße Lust, die tief zum Herzen dringt.

Nun geh, mein Kind, und siehst Du noch so einen
Vergess’nen kleinen Buben weinen –
Es könnte auch ein liebes Mädchen sein,
Das zur Bescherung Niemand ließ herein –
Sag’ ihnen rasch, ich wohnte an der Ecke
Und hätte eine große Buckerwecke,
Und auch ein Bäumchen und ein warmes Kleid –
O Herzensfreude, sel’ge Weihnachtszeit!

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